Alles außer Sprachkritik - #2
Der unaufhaltsame Sieges Zug des Deppen Leer Zeichens
Natürlich, es hat auch schon früher Menschen ohne Sprachgefühl gegeben, oder solche, denen es schlicht und ergreifend egal war, ob das, was sie schreiben, korrekt ist oder wenigstens Sinn ergibt. Und es gab auch früher schon Legastheniker, die nichts für ihre Schreibfehler konnten. Aber heute ist alles schlimmer. Viel, viel schlimmer! (An dieser Stelle bitte dramatische Hitchcock-Streicherklänge hinzudenken) Denn dank der Allgegenwart des Internets werden wir heute weitaus direkter als früher mit den Fehlern und Macken der anderen konfrontiert. Jeder Tweet, Post oder Blogeintrag eines jeden virtuellen Bekannten wird uns direkt auf den Bildschirm geliefert. Und wir müssen dann mitansehen, wie unschuldige Wortpaare einfach so auseinandergerissen werden. Schuld daran ist stets das Deppenleerzeichen, auch bekannt als Deppen Leer Zeichen.
Der Begriff stammt nicht von mir, aber er bringt das Phänomen äußerst treffend auf den Punkt. Wie ein Waldbrand nach sechs Wochen extremer Dürre hat sich das Deppen Leer Zeichen in den letzten Jahren durch die deutsche Sprache gefressen und unbescholtene Großstadtbewohner in "Großstadt Bewohner" verwandelt, aus Mittagsmenüs "Mittags Menüs" gemacht und das Champions-League-Finale zum "Champions League Finale" degradiert.
Fast wirkt es so, als wären Will Smith und Tommy Lee Jones aus „Men in Black“ durchs Land gezogen und hätten Millionen von Menschen „geblitzdingst“, damit diese vergessen, dass es im Deutschen möglich und meistens sogar vorgeschrieben ist, Komposita zusammenzuschreiben oder sie zumindest mit Bindestrichen zu verbinden. Aber wir wollen mal nicht zynisch werden. Viel wahrscheinlicher ist es, dass die allermeisten Internet-User einfach zu faul sind, Wörter zusammenzuschreiben oder Bindestriche zu setzen. Zumal es in T9- und Smartphone-Zeiten ja so verlockend geworden ist, zwei einzelne kurze Wörter zu schreiben anstatt ein Langes. Geht beim Tippen ja auch schneller. Also: Erdbeer Torte anstatt Erdbeertorte. Dabei schmeckt diese viel besser, wenn man sie als ein Wort schreibt – ich habe es ausprobiert.
Oder ist letztlich doch wieder der Erzfeind schuld? Nein, nicht Frankreich (das ist der Erbfeind), sondern die englische Sprache. Dort ist es schließlich erlaubt und völlig normal, dass zusammengesetzte Nomina nicht verbunden werden. Und im Englischen sieht es ja auch wirklich cool aus (wirklich! Siehe: beer bong, apple pie, million dollar bill). Und was im Englischen funktioniert, muss nach Meinung vieler auch im Deutschen funktionieren. Nur stimmt das halt leider nicht. In diesem Fall genauso wenig wie in den allermeisten anderen auch. Denn, und das mag nun viele überraschen: Nicht alle Sprachen funktionieren nach demselben Prinzip! Huch! Deshalb verstehe ich also kein Chinesisch?
Rhein Main Donau ... hä?
Wir alle haben uns als kleine Kinder über aberwitzige Wortkompositionen wie „Rheinmaindonaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänstochter“ lustig gemacht. Aber mal ehrlich: Irgendwie sieht das doch auch geil aus. Ein solches Wort zu lesen und zu begreifen, erfordert einen nicht geringen Einsatz von Hirnschmalz. Und diesen Aufwand trauen sich heutzutage scheinbar immer weniger Leser zu. Sie steigen spätestens bei „Donau“ aus, und dadurch entgeht ihnen die ziemlich hübsche Tochter des Kapitäns ganz am Ende.
Schließen wir mit der unbequemen Wahrheit: Sprache erfordert von ihren Sprechern manchmal ein wenig Anstrengung. Ist nun mal so. In unserer modernen Welt mag alles zunehmend ökonomisiert werden – Kinder werden durch ein verkürztes Gymnasium gepeitscht und an der Uni im Schnellgang zu wirtschaftskompatiblen Zahnrädern geformt – doch die deutsche Sprache lässt sich halt nicht ohne weiteres ökonomisieren. Die Sprache war nicht nur vor uns da, sie wird uns auch überdauern. Also wäre es nicht verkehrt, sich an ihre Regeln zu halten. Es sieht nicht nur wirklich dämlich aus, zwei Nomina voneinander getrennt stehen zu lassen, als hätten sie nichts miteinander zu tun. Es ist auch schlicht und ergreifend falsch. Und wie heißt es so schön? Foul ist, wenn der Schiri pfeift. Das ist eine alte Fußballerweisheit. Keine Fußballer Weisheit. In diesem Sinne: Mehr Mut zur Zusammenschreibung!