Ja, es gibt viele Autoren, die gut schreiben können. Erzähler im besten Wortsinn, die kunstvoll mit Wörtern und Sätzen spielen, sie drehen und wenden und mit anderen Farben übergießen. Die wissen, wie man eine Geschichte spannend und mitreißend wiedergibt, und die den Leser dabei stets aufs Neue überraschen. Solche Könner gibt es viele, und die meisten von haben es zu Recht längst in den Literaturkanon der Welt (merke: nicht der "WELT") geschafft. Doch ich persönlich bin der Meinung, dass kaum ein Autor so gut schreiben kann wie José Saramago.

Wie ich an anderer Stelle bereits ausgeführt habe, war mir der portugiesische Nobelpreisträger bis vor rund eineinhalb Jahren gar kein Begriff. Wie froh bin ich heute, dass ich ihn im Rahmen einer Portugalreise für mich entdeckt habe! Saramago versteht es wie kein anderer, hochphilosophische und anspruchsvolle Themen mit einer federleichten und oftmals witzigen Sprache zu verbinden. Mag sein Humor auch zuweilen einen bitterbösen Beigeschmack haben, mag sich auch ein tief verwurzelter Pessimismus gegenüber Obrigkeiten, Kirche und blindem Fortschrittsglauben durch sein Werk ziehen, so sind seine Bücher doch nie ausschließlich von Schwermut geprägt. Es gibt da immer wieder Momente, in denen man merkt, wie viel ihm das Mensch-Sein bedeutet. Auch das ist für mich Teil des Phänomens José Saramago.

Die Themen, derer er sich annimmt, lesen sich schon in der kurzen Zusammenfassung spannend. In "Der Doppelgänger" beispielsweise geht es darum, was von unserer Identität übrig bleibt, wenn sich herausstellt, dass es uns durch einen unerklärlichen Zufall zweimal gibt. In seinem wohl bekanntesten Werk "Die Stadt der Blinden" verlieren immer mehr Leute ohne Grund ihr Augenlicht, und die Gesellschaft muss mit der wachsenden Zahl der Blinden zu Recht kommen. Und erst kürzlich habe ich "Eine Zeit ohne Tod" gelesen, ein Spätwerk des 2010 verstorbenen Autors. Hier hören mit Beginn eines neuen Kalenderjahres die Leute plötzlich auf zu Sterben. Niemand kommt mehr zu Tode, selbst schwerste Unfälle oder Mordversuche stürzen die Menschen lediglich in einen Dämmerzustand der Pflegebedürftigkeit. Welche Auswirkungen hat das plötzliche Fehlen des Todes auf die Gesellschaft, das Wirtschaftssystem und vor allem die Kirche, die ja gewissermaßen auf das Prinzip des Übertritts vom irdischen Dasein in Himmel oder Hölle lebt?

Saramago behandelt in diesen und anderen Romanen solche Fragen mit unerhörter Leichtigkeit und großer Meisterschaft. Es mag wegen der oftmals düsteren Bilder nicht immer ein Genuss im eigentlichen Sinn sein, seine Bücher zu lesen. Doch es ist auf jeden Fall eine Bereicherung.