Ob "Some Might Say" der allerbeste Oasis-Song ist? Möglich. Aber das tut hier nichts zur Sache. Allerdings dürfte "Some Might Say" der Oasis-Song mit dem größten Selbstvertrauen sein. Und das will was heißen.

Die Frage nach dem allerhellsten Song-Moment der Gallagher-Brüder hat ja für viele Fans eine quasi-religiöse Bedeutung – und weil ich religiösen Dingen, vorsichtig ausgedrückt, skeptisch gegenüberstehe, will ich mich an dieser Stelle gar nicht festlegen. Oasis haben etwa dreißig "beste Songs" erschaffen, und "Some Might Say" zählt definitiv zu den Top Ten. Wenn ich den Song hier als eines meiner Lieblingslieder aufführe, hat das nichts mit einer Bestenliste zu tun. Sondern mit Attitüde.

Ich kenne kein anderes Lied, das so sehr eine Ära und ein Lebensgefühl definiert. Nicht einmal "Smells Like Teen Spirit" hat das auf diese Weise für den Grunge vermocht. "Some Might Say" verkörpert auf so überragende Weise diese kurze Phase Mitte der Neunziger, in der Noel und Liam Gallagher auf dem Scheitel der Britpop-Welle surften. Etwa zwei oder drei Jahre lang konnte ihnen nichts und niemand etwas anhaben, niemand war cooler als sie (und wenn doch, dann haben sie das definitiv anders gesehen), niemand machte bessere Alben. "Some Might Say" ist ein Statement. Ein Song, der so sehr von sich selbst überzeugt ist, dass es schmerzt – und der genau daraus seine unglaubliche Power bezieht.

Das beginnt schon bei den Gitarren: Noel Gallagher hat im Studio einfach so lange Gitarrenspuren aufeinander gestapelt, bis daraus eine Wand wurde, die einer Dampfwalze gleich über jede Kritik hinweg rumpelt. Der Schlagzeugbeat gibt dem simplen Grundriff den nötigen Auftrieb, und schon fliegt es für knapp fünfeinhalb Minuten davon in die Lüfte. Ohne Rücksicht auf dramaturgische Effekte zu nehmen und ohne die Möglichkeit einer komplexen Songstruktur überhaupt in Betracht zu ziehen, stampft "Some Might Say" vor sich hin und verkörpert damit den Rock‘n‘Roll im allerbesten Sinne.

"Some might say / that sunshine follows thunder / go and tell it to the man who cannot shine" singt Liam da mit der kratzigen Inbrunst, die er auf den ersten beiden Oasis-Alben noch draufhatte und die ihn kurzzeitig zum vielleicht besten Rocksänger der Welt machte. Es sind simple philosophische Betrachtungen wie diese, die ich an Oasis liebe. Noel wollte bei seinen Texten nie bahnbrechend intellektuell wirken (vermutlich konnte er das auch gar nicht). Wenn er überhaupt eine Absicht bei seinen nicht selten herrlich sinnfreien Texten verfolgte, dann diese: das Sprachrohr jener typisch britischen Pub-Brüder sein, die zwischen dem dritten oder vierten Pint auch mal andere Gesprächsthemen als Fußball finden.
Es ist ihm oft gelungen, aber vermutlich niemals so grandios wie in "Some Might Say", diesem immer noch erstaunlich frisch dahin rockenden Meilenstein. Eines der wenigen Lieder aus meiner Jugend, das bis heute nichts von seiner Frische und Qualität verloren hat.