Ich habe im Grunde nichts gegen den "Tatort". Da ist viel Schönes dabei. Und selbst die schlechten Fälle liefern immerhin Gesprächsstoff, falls man gezwungen ist, Smalltalk mit unsympathischen Menschen zu führen. Die Münchner Folgen muss ich aus einer bizarren Form von Lokalpatriotismus heraus ohnehin schauen, und ich sehe dann sogar darüber hinweg, dass dort Leute allen Ernstes mit der U-Bahn vom Marienplatz aus zum Flughafen fahren, was erwiesenermaßen unmöglich ist. Aber gut, so ist das Showgeschäft. Dass ich in den vergangenen Monaten trotzdem immer seltener den "Tatort" schaue, hat also nicht zwingend damit zu tun, dass ich die Filme beschissener finde als früher. Eher liegt es daran, dass ich am Sonntagabend jetzt wieder eine sinnvollere Beschäftigung habe. Nämlich der unterhaltsamsten Lesebühne der Welt zu lauschen.

Schon in früheren Jahren, zirka Beginn der Wirtschaftskrise, war ich ein paar Mal bei den "Schwabinger Schaumschlägern" im Vereinsheim. Warum ich dann etwa sechs Jahre gar nicht mehr hinging, weiß ich im Nachhinein nicht mehr. Damals zog es mich vielleicht eher zum klassischen Poetry Slam ins Substanz, wo es mir aber irgendwann zu voll wurde. Jedenfalls kam mein Live-Wortkonsum anschließend fast völlig zum Erliegen. Ich war nicht mehr jung und brauchte offenbar das Geld. Vor lauter Langeweile fing ich dann auch noch selbst an zu schreiben. Außerdem sang ich damals noch mit einer Band gegen das System an, oder etwas in der Art. Keine Zeit für Lesebühnen. Bis vor wenigen Monaten. Durch bloßen Zufall schwemmte es mich an einem schicksalhaften Sonntagabend ins Vereinsheim zu den Schaumschlägern. Und seitdem war ich die meisten Sonntage dort. Bereut habe ich es nie.

Man kann eigentlich gar nicht genug Hüte ziehen vor dem, was Moses Wolff, Christoph Theussl und Michi Sailer mitsamt ihrer wöchentlich wechselnden und meist hochkarätigen Gästeschar auf die Beine stellen. Jeder Abend ist anders, jeder ist unterhaltsam, jeder ist auf seine Weise einzigartig. Während einem manche Texte die Lachtränen aus den Augen drücken, lassen einen andere Lieder oder Gedichte kräftig schlucken. Für jeden angekündigten Gast, der spontan doch nicht auftaucht und gerne mal per SMS während der Show absagt, schaut ein unangekündigter Gast vorbei, nicht selten bekannte Namen, die anschließend nebenan im Lustspielhaus auftreten. Ich war zwar bislang bei höchstens 15 der 410 bisherigen Shows der Schwabinger Schaumschläger. Aber bereits jetzt habe ich unzählige großartige Dichter, Poetry Slammer, Liedermacher und Humoristen entdeckt. Den größten Applaus verdienen aber vermutlich trotzdem die drei oben genannten Stamm-Moderatoren, denn die müssen – frei nach Sigmar Gabriel, nur weniger herzlos – jede Woche "liefern". Und das tun sie, immer wieder und immer wieder hochklassig.

Video: Moses Wolff - "Die Störermafia"

Ich habe mir neulich erlaubt, den hochehrwürdigen Moses Wolff live on Stage zu filmen. Dass dabei die ersten ca. 15 Sekunden des Sketches fehlen und das Bild durchgehend hochkant gehalten ist, ist natürlich rein meiner unkonventionellen Kameratechnik und meinen waghalsigen Schnitten geschuldet – und nicht der Tatsache, dass ich verpennt habe, rechtzeitig auf "Aufnehmen" zu drücken und das Ding waagrecht zu halten. Viel Spaß mit Moses Wolff und der großartigen "Störermafia".