Wider den Gebrauch des Deppenapostroph’s
Eines der auffälligsten und sicherlich nervigsten Sprachphänomene, die sich dank des Internets verbreiten wie ein schlechter Witz im Büro, ist das Deppenapostroph, unter Sprachkritikern auch bekannt als Apostrophitis. Ähnlich wie sein hässlicher Cousin, das Deppen Leer Zeichen, wird es bevorzugt von Menschen verwendet, die glauben, dass das Deutsche genauso funktioniert wie das Englische. Oder die der festen Meinung sind, ein Genitiv-Apostroph wäre in irgendeiner Weise sexy oder gar cool. Sämtliche dieser Annahmen sind falsch. Das sagt nicht Sherlock Holmes, sondern jeder, der zumindest über ein wenig Sprachgefühl verfügt.
Früher hui, heute pfui
Aber wir wollen mal nicht fies sein. Denn wenn man sich Bildbände mit historischen Fotoaufnahmen aus dem späten 19. Jahrhundert ansieht, so stößt man dort überall auf Schilder mit Aufschriften wie: „Müller’s Tabakwaren“ oder ähnliches. Damals handelte es sich beim Apostroph vor dem Genitiv-s um eine gebräuchliche und daher als korrekt angesehene Schreibweise. Das änderte sich allerdings im 20. Jahrhundert. Seitdem gibt es das Apostroph an dieser Stelle im Deutschen nur noch in Ausnahmefällen. Sonst nicht. So einfach ist das. Die angesprochenen Ausnahmen, auf die ich weiter unten zu sprechen komme, stammen größtenteils aus der Konkursmasse der Rechtschreibreform der 90er Jahre, die sich unter Freunden der Deutschen Sprache etwa ähnlicher Popularität erfreut wie ein 1860-Fan am FC-Bayern-Stammtisch.
Also: Im Deutschen sagt man heute eben nicht mehr „Müller’s Tabakwaren“, sondern Müllers Tabakwaren. Es gibt nicht „Sylvia’s Friseurladen“, sondern nur Sylvias Fiseurladen. Und „Willi’s Würstchenbude“ wird niemals so sexy aussehen wie Willis Würstchenbude.
Auch das Apostroph vor dem Plural-s gibt es schlicht und ergreifend im Deutschen nicht. Gerade bei Wörtern, die irgendwie so ein wenig Englisch klingen, scheinen erschreckend viele Leute der Versuchung nicht widerstehen zu können, ein Apostroph dazwischen zu schieben. Aber so sehr es manche auch in den Fingern juckt, es gibt im Deutschen weder „CD’s“ noch „DVD’s“ noch „Kid’s“ und auch keine „Klick’s“. Sondern eben nur CDs, DVDs, Kids, Hits, Klicks, Snacks und Handys.
Weniger wäre mehr
Interessant, dass so viele Zeitgenossen dazu neigen, Apostrophe einzubauen, wo keine hingehören. Wo es doch ansonsten im Trend liegt, die Sprache zu ökonomisieren und zu verknappen. Das falsche Apostroph sieht nicht nur dämlich aus, es fällt beim Lesen auch störend ins Auge. Wie ein Pfosten in der Straße, dem Autofahrer ausweichen müssen, fordert das Apostroph im Satz den Leser auf, mit Anlauf drüberzulesen. Ein Hindernis, das sich so einfach vermeiden ließe, wenn man es einfach weglässt.
Natürlich gibt es kein generelles Apostroph-Verbot im Deutschen. Nein, sehr wohl darf man es in vielen Fällen verwenden, zum Beispiel dort, wo umgangssprachlich ein Buchstabe ausgelassen wird. „Mir geht’s gut“ darf man ohne schlechtes Gewissen schreiben. Allerdings dürfte man auch „Mir gehts gut“ schreiben. Also: Darf, aber kein muss! Anderes Beispiel: Der Kumpel, mit dem man in der Kneipe sitzt, wird einem nach vier Bieren nicht mehr formvollendet mitteilen: „Ich gehe auf die Toilette“, sondern „Ich geh’ auf’s Klo“. Wird das –e bei „gehe“ weggelassen, dann darf das korrekterweise durch das Apostroph angezeigt werden.
In solchen Fällen hat das Apostroph eine Daseinsberechtigung. Es gibt natürlich auch Fälle, wo es stehen muss, also wo es nicht mehr dem Sprecher selbst überlassen wird. Bei Namen, die auf s, ss, ß, tz oder auch z enden, muss man im Genitiv ein Häkchen drankleben. Hinten dran, versteht sich. Die Mutter von Klaus ist Klaus’ Mutter, und natürlich nicht "Klau’s Mutter". Nicht lachen, es gibt wirklich Menschen, die das so schreiben.
Zugegeben: Es ist manchmal kompliziert mit dem Apostroph. Aber wenn man einfach nach der Devise „weniger ist mehr“ verfährt, dann ist das Ganze nicht mehr so schlimm. Im Zweifelsfall einfach weglassen