Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich zum ersten Mal von der seltsamen Wortbildung NaNoWriMo gehört habe. Irgendwann fand ich heraus, dass sich dahinter die Abkürzung "National Novel Writing Month" verbirgt und das Ganze ein amerikanisches Internet-Projekt ist. Mehr wusste ich zunächst nicht, und mehr hat mich zunächst auch nicht interessiert.

Erst, nachdem ich das Schreiben wieder voll und ganz als lohnende Freizeitbeschäftigung für mich entdeckt habe und regelmäßig Kurzgeschichten veröffentliche (Was? Wo? Hier!), erlaubte ich meinem Hirn, sich mit dem Phänomen "NaNoWriMo" eingehender zu beschäftigen. Dieses Jahr habe ich endlich den kompletten Einblick erhalten, was es mit dem ganzen Hype auf sich hat.

NaNoWri... what?

Also: Es geht darum, innerhalb eines Monats - nämlich des Novembers - einen Roman zu schreiben. Klingt zunächst mal gleichermaßen banal wie unmöglich. Denn natürlich kann kein Mensch innerhalb eines Monats einen fertigen Roman schreiben. Ein Thomas Mann wäre nach einem Monat vermutlich mit der zwölften Seite seines Manuskripts fertig gewesen. Doch gemach: Beim NaNoWriMo lautet das Ziel zunächst einmal nur, die Marke von 50.000 Wörtern zu knacken. Welche Qualität diese 50.000 Wörter haben, interessiert während der Schreibphase nicht, denn überarbeitet wird später. Der NaNoWriMo soll Leute dazu animieren, einfach drauf los zu schreiben, sozusagen alles aus sich rauszupressen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob das jetzt logisch aufgebaut oder spannend konstruiert ist. Die Motivation wird dabei auf der Webseite der Organisation durch einen Wortzähler hochgehalten sowie durch die von Teilnehmern auf der ganzen Welt organisierten Schreibtreffs. Hier trifft man sich in einem Café und schreibt gemeinsam. Zu gewinnen gibt es beim NaNoWriMo natürlich nichts, da das Ganze ehrenamtlich und mehr oder weniger zum Spaß aller Teilnehmer stattfindet. Wenn man so will, ist der Preis am Ende der, den eigenen Schweinehund überwunden und etwas geschrieben zu haben.

Meine NaNoWriMo-Bilanz

Das Drama beginnt

Ob ich wirklich einen Roman schreiben will, das wusste ich nie mit Sicherheit. Im Grunde fühle ich mich mit kurzen Geschichten wohler, weil ich mich hier mehr auf die Handlung konzentrieren kann. Aber ausprobieren wollte ich die Sache auf jeden Fall mal. Allerdings lag der Fall dieses Jahr bei mir so, dass ich erst am 8. November auf den Trichter mit dem NaNoWriMo gekommen bin. Da war es natürlich schon so gut wie unmöglich, die geforderten 50.000 Wörter noch zu schaffen. Denn schon wenn man das Projekt auf 30 Tage auslegt, sind die 1.667 Wörter, die es im Schnitt pro Tag zu schreiben gilt, recht happig. Bei mir waren es schon vom Anpfiff an weit über 2.000, die ich jeden Tag hätte schaffen müssen. Das konnte nicht klappen, aber da ich das von Anfang an wusste, war es auch kein Problem für mich. Ich wusste, wenn ich am Ende 30.000 Wörter schaffe, dann wäre das schon ein grandioser Triumph.

Die Motivation war also da, und wann immer es die Zeit zuließ, habe ich nach der Arbeit noch ein wenig geschrieben. Es gab Tage, da war die Zeit einfach nicht da, und entsprechend bewegte sich der Wortzähler auch keinen Millimeter. Dann gab es Tage, an denen mir höchstens vierhundert Wörter rausrutschten. Doch es waren auch Tage mit deutlich über zweitausend dabei. Da das ganze NaNoWriMo-Projekt sehr auf Web-2.0 ausgelegt ist, ließ auch ich mich nicht lumpen und kommentierte meinen Schreibverlauf bei Twitter mit:

Was dabei rumkam

Die Macher hinter dem NaNoWriMo-Projekt geben sich wirklich redlich Mühe, die Motivation der Schreibenden aufrecht zu erhalten. So verrät das System nach jeder neuen Eingabe der momentanen Wortzahl, wie lange es bei der derzeitigen "Produktionsrate" dauert, bis die 50.000 Wörter erreicht sind. Mein letzter Stand war, dass ich im Januar 2015 soweit gewesen wäre. Auch kriegt man bei jeder großeren Grenze (5.000, 10.000, 25.000 ...) einen - natürlich virtuellen - Orden verliehen, und nette Mails mit Tipps von erfahrenen Autoren und Mehrfach-Teilnehmern muntern einen immer wieder auf. Das aber alles auf nicht aufdringliche, sondern sympathische Weise. Bei mir persönlich hat all das irgendwann nichts mehr genutzt. Nach 16.137 Wörtern war Schluss. Dies ist aber keinesfalls die Schuld des Systems, sondern die meiner Geschichte. Mir ist das passiert, was vor mir schon vermutlich mehreren Millionen Schreibern passiert ist und was nach mir noch mehreren Phantastillionen passieren wird: Die Handlung steckte in einer Sackgasse fest, und ich wusste nicht mehr genau, wie es weitergehen soll. Natürlich wäre es irgendwie möglich gewesen (Passagen streichen, umschreiben, Personen sterben lassen, das Übliche halt ...), doch mir fehlte am Ende einfach die Kraft. Am 24.11. habe ich letztmals weitergeschrieben.

Insgesamt muss ich aber festhalten, dass mir der NaNoWriMo in den zwei Wochen, in denen ich dran teilgenommen habe, großen Spaß bereitet hat. Das ursprünglich an einer Uni in den USA entstandende Spaßprojekt ist längst zum internationalen Kulturphänomen geworden. Hier wird niemandem vorgegaukelt, er oder sie wäre zum Romanautor geboren und würde demnächst die Bestsellerlisten stürmen. Obwohl durchaus schon einige später in großen Verlagen veröffentlichte Romane im Rahmen des NaNoWriMo entstanden sind. Nein, vielmehr geht es darum, Menschen zu krativer Betätigung anzuregen. Egal, ob man schon seit Jahren die Idee zu einer vermeintlich großen Romanhandlung mit sich herumschleppt oder ob man spontan und planlos drauf los schreibt - hier soll vor allem der kreative Fluss gefördert werden. Der Mensch als kreatives Wesen darf sich beim NaNoWriMo voll ausleben. Und das allein ist schon eine Sache, die man gar nicht genug loben kann. Ich kann natürlich nicht vorhersehen, was bei mir in einem Jahr so los ist. Aber Stand jetzt habe ich auf jeden Fall vor, wieder teilzunehmen. Diesmal, wenn es geht, auch pünktlich und mit einer Geschichte, die die Mühe mehr lohnt als jene, die ich diesmal geschrieben habe. Worum es in meinem Roman eigentlich gegangen wäre? Lieber nicht.