Anfang 2014 schrieb ich auf dieser Webseite einen Text über die großartige Stadt Paris, die für mich seit jeher einen Sehnsuchtsort verkörpert. "Eine Stadt für Menschen" nannte ich das kleine Essay, und ich beschrieb darin, was mich an Paris und seinen Bewohnern so fasziniert: Die quirlige Lebensart, die Lässigkeit, mit der die Pariser ihren Alltag absolvieren, die unbezwingbare und nur schwer in Worte zu fassende Schönheit der Bauwerke, Brasserien, Cafés und Augenblicke. "Keine andere Stadt verstand es so meisterhaft, das Leben geschehen zu lassen und dabei den Anschein zu erwecken, das wäre ganz einfach." Das schrieb ich damals.

Nun sind gestern in Paris unzählige Menschen gestorben, nach aktuellem Stand wohl mindestens 128. Sie wurden von Attentätern ermordet, weil sie genau dieses einzigartige Pariser Leben genossen haben. Weil sie an einem milden Novemberabend vor den Bars, Cafés und Restaurants der Stadt saßen oder darin. Weil sie im "Le Bataclan" auf einem Konzert der Eagles of Death Metal waren, einer Alternative-Rockband aus Kalifornien, die mit ihrem verschrobenen und schrägen Humor irgendwie gut zu Paris passt. Weil sie lachten und sich an ihren Mitmenschen oder, noch banaler, am Leben erfreuten. Die noch größere Dimension des Grauens – das Töten von noch weitaus mehr Unschuldigen im Stade de France beim Länderspiel zwischen Frankreich und Deutschland – wurde offenbar nur knapp verhindert.

Zurück bleibt die Leere

Was bleibt, ist die große Leere. Und Fragen. Zum Beispiel, warum die menschliche Rasse sich untereinander so viel Leid zufügt, in einer Zeit in der wir voneinander quasi alles wissen und die Chance, uns zu verstehen, so groß ist wie nie zuvor. Dann die Frage, wieso das alles nicht verhindert werden konnte, wo doch in Paris seit den Anschlägen auf "Charlie Hebdo" höchste Sicherheitsstufe herrscht. Oder die Frage, wieso es nach den schrecklichen Anschlägen nur Minuten dauerte, ehe die ersten Populisten die Ereignisse für ihre Zwecke auszuschlachten zu begannen. Die Einsicht, dass die Weltbevölkerung sich standhaft weigert, in Frieden miteinander zu leben, ist bedrückend. Sie hat noch nie aus ihren Fehlern gelernt und wird es auch in Zukunft nicht tun. Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen, dass sich die Spirale der Gewalt nach den Pariser Anschlägen weiterdrehen wird. Die Lösung wird aus Sicht der westlichen Mächte nicht lauten, dass man nun die Wurzeln des Extremismus bekämpft, die übrigens gleichzeitig die Wurzeln der gigantischen Fluchtbewegungen nach Europa sind. Statt dessen wird es mehr Luftangriffe in Syrien oder in anderen Ländern geben und damit neue Racheakte, mehr unschuldige Tote hüben wie drüben.

Ebenso bedrückend ist die Tatsache, dass sich durch Vorfälle wie in Paris nichts ändern wird. Egal, wie sehr aufgerüstet und in die Sicherheit investiert wird. Bürgerrechte und Freiheiten lassen sich in einem Rechtsstaat nicht beliebig einschränken, und das ist auch gut so. Nein, eher werden sich die Fronten zwischen Humanität und Extremismus, zwischen West und Ost und zwischen Liebe und Hass noch verhärten. Bereits jetzt ist die westliche Gesellschaft tief gespalten. Vor allem, aber beileibe nicht nur in Deutschland. Die rechte Flanke erstarkt zusehends und wird jetzt erst recht nichts unversucht lassen, die Angriffe auf unschuldige Menschen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Es sind bleierne Aussichten. Man kann Angst haben, es ist verständlich. Und doch darf die Hoffnung nicht sterben, dass Paris auch in Zukunft wieder eine Stadt für Menschen sein wird. Für gute Menschen. Wie es schon in einem berühmten Chanson heißt: "Paris sera toujours Paris" - die Stadt wird immer sie selbst sein.