Zugegeben: Die Kritik am inflationären Gebrauch von Anglizismen hat einen Bart, der es mit dem von Wolfgang Thierse locker aufnehmen kann. Vermutlich begann das Naserümpfen über die Verwendung englischer Ausdrücke irgendwann zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Blue Jeans hierzulande salonfähig wurden. Vielleicht aber auch schon früher, nichts genaues weiß man nicht. Mitte des vergangenen Jahrhunderts jedenfalls kamen dann der Rock'n'Roll und die Beat-Musik und mit ihnen das "Yeah! Yeah! Yeah" in die deutsche Sprache. Puristen schüttelten entsetzt ihre korrekt gescheitelten Köpfe: So artikuliert sich also die junge Generation? Ist der Schlager nicht mehr gut genug, oder wie? Doch all jene, die schon damals eine Verwässerung der deutschen Sprache durch böse angelsächsische Mächte befürchteten, ahnten ja nicht, was noch folgen würde.
In den Achtzigern wurde es plötzlich cool, "cool" zu sagen an Stelle von altbewährten und gut abgehangenen deutschen Begriffen wie "dufte", "knorke", "fetzig" oder "total super". Die Fahnenstange in Sachen Anglisierung des Jugendslangs war damit noch lange nicht erreicht (übrigens, "Slang" – ein Wort aus dem Englischen!). "Heavy", "crazy" oder "gay" purzeln Heranwachsenden mittlerweile so selbstverständlich aus dem Mund, das nur noch den Überkorrekten überhaupt auffällt, dass es sich dabei streng genommen um fremdsprachliche Begriffe handeln. Allerorten wird heftig gechillt, selbst von Mitbürger, die der Verwendung von Jugendsprache im Grunde unverdächtig sind. Handy und Smartphone sind aus unserer Gesellschaft ebenso wenig wegzudenken wie das Internet. Längst ist Deutsch eine globale Sprache geworden - eine Eigenschaft, die sie übrigens mit so ziemlich jeder anderen großen europäischen Sprache teilt. Mitbürger, die sich standhaft weigern, ausländische Begriffe in den Mund zu nehmen, gibt es zwar durchaus noch. Mit denen will man aber eigentlich nichts zu tun haben, da ihr Weltbild üblicherweise ebenso beschränkt ist wie ihre Haare raspelkurz. Doch auch außerhalb der rechten Ecke bringt das "Denglische" so manchen Sprachschützer auf die Palme. Holen wir ihn da mal wieder runter.
Meeting zum Keyword "Corporate Identity"
Zugegeben: Besonders in der modernen Arbeitswelt schwingt der Verwendung von englischsprachigen Ausdrücken nur allzu oft ein deutlich vernehmbarer Hauch von Selbstgefälligkeit mit. Frei nach dem Motto: Mensch (beziehungweise: Alter!), sind wir hip, jung und weltgewandt. Wir besprechen uns nicht, wir haben Meetings. Wir machen keine Stichpunkte, sondern Bulletpoints. Wir optimieren unsere Webseite weniger nach Suchbegriffen als nach Keywords. Unsere Corporate Identity gefällt unseren Stakeholdern nur zu gut, und Compliancemäßig sind wir auch ganz weit vorn. Bei diesen Worten bitte stets einen breit grinsenden Anzugträgern mit nach hinten gegelten Haaren dazu denken, der einen veganen Smoothie in der Hand hält.
Klar ist: Alle dieser englischen, beziehungsweise denglischen, Begriffe könnte man auch auf Deutsch sagen – sie klängen dann halt nur weniger modern. Und das sage ich mit Bedauern, denn auch mir als Halbengländer ist die überflüssige Verwendung von Anglizismen aus Gründen der Eitelkeit ein Dorn im Auge. Das Deutsche ist eigentlich eine überaus schöne Sprache. Sie hat ein enormes poetisches Potenzial und erlaubt weitaus mehr sprachliche Schattierungen, als 99,8% derer, die sie verwenden, bewusst ist. Was aber den Sex-Appeal (hoho!) betrifft, wirkt sie im Vergleich zum Englischen so knackig wie die sechzigjährige Friseuse aus "Sylvia's Frisurenstube" auf dem Laufsteg neben einem "Victoria's Secret"-Model.
Diese Erkenntnis mag nicht neu sein. Trotzdem rechtfertigt sie in keinster Weise fiese Wortkreationen wie den "BahnInfoPoint" oder die legendär verhunzte Douglas-Werbung "Come in and find out". Sie ändert auch nichts daran, dass es sich bekloppt anhört, wenn man etwas downloadet oder bereits gedownloadet (oder downgeloadet?) hat, denn man kann genau so gut etwas herunterladen. Das Englische hat eine so große Anziehungskraft, dass nur allzu oft die sprachliche Logik außer Kraft gesetzt wird. Immer wieder erliegen scheinbar vor allem Werbefachleute, oder solche, die es werden wollen, der Versuchung, ihre Botschaft mit Anglizismen oder gleich einem komplett englischsprachigen Spruch aufzutakeln. Und immer wieder fallen sie damit auf die Nase.
Wer aber glaubt, dieser Trend sei noch aufzuhalten, glaubt vermutlich auch daran, dass Schalke 04 in absehbarer Zeit Meister wird. Anders gesagt: Liegt komplett daneben. Denn das Deutsche verändert sich genauso wie jede andere Sprache. Und das war schon immer so. Veränderung und Einfluss von Außen halten eine Sprache lebendig. Niemand will heutzutage noch Deutsch sprechen müssen wie vor 150 Jahren. Oder es wie die Franzosen machen, die technische Begriffe aus dem Englischen konsequent in ihre Sprache übersetzen. Es kann keiner mit seinem "Gescheitfon" ins "Weltnetz" gehen wollen, weil das in höchstem Maße beknackt klingen würde. Man stelle sich nur Dialoge wie diese im Büro vor:
"Hast du meine elektronische Post von gestern Abend schon gelesen?"
"Nein, wegen eines dringenden Konferenztelefonates kam ich heute noch nicht dazu, mein elektronisches Postfach zu überprüfen. Aber immerhin habe ich die KraftPunkt-Präsentation schon vorbereitet."
Brrr. Nein, lassen wir das und halten lieber fest: Die schrittweise Anglisierung unserer Sprache hat ihr auf jeden Fall gut getan, und es wäre fatal, würde man diese Frischzellenkur per Gesetz stoppen oder regulieren wollen. Und doch ist es mit der Verwendung von Anglizismen so wie mit vielen anderen Dingen im Leben: Maß halten schadet nicht, und zuviel kann ungesund sein. Würden sich mehr Leute daran halten, wäre das total crazy. Word.
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