Ich möchte gar nicht behaupten, dass das neue "Literarische Quartett" im ZDF eine schlechte oder gar überflüssige Sendung ist. Eine TV-Produktion, in der es um Literatur geht, kann per se schon mal nicht schlecht sein. Sie kann höchstens schlecht umgesetzt sein, und von diesem Vorwurf kann ich die ZDF-Sendung auch nach der gestern ausgestrahlten dritten Folge nicht freisprechen. Dabei gebe ich gerne zu, dass ich auch gestern wieder interessantes erfahren habe, zum Beispiel hat sich "Auerhaus" nun einen Platz auf meiner Liste der baldmöglichst zu erwerbenden Bücher gesichert. Auch war mancher Redebeitrag durchaus nicht verkehrt, und mit Daniel Cohn-Bendit saß ein zumindest nicht uninteressanter Gast in der Runde. Aber das Drumherum im "Literarischen Quartett", die gesamte Aufmachung, die Debattenkultur – wenn man sie denn überhaupt so nennen will – das war in Folge drei ebenso schwer zu ertragen wie in den beiden Sendungen zuvor.

Dafür gibt es natürlich Gründe. Da wäre zum Beispiel der Umstand, dass es den Teilnehmern beim "Literarischen Quartett" wichtiger ist, ihre Meinung durchzusetzen, als über die Bücher zu reden, um die es geht. Ein Umstand, den das ZDF mit der Verpflichtung von Maxim Biller sicherlich forciert hat. Frei nach dem Motto: Reibereien und Streitereien sind gut für die Quote. Hat damals mit Reich-Ranicki ja auch schon funktioniert. Dabei übersah man aber, dass Reich-Ranicki als Alphatier aus einer gänzlich anderen Generation mit einer einzigartigen Ausstrahlung gesegnet war, die selbst den schlimmsten Wortgefechten einen unterhaltsamen Anstrich verlieh. Niemand der neuen Teilnehmer kann diese Rolle so ausfüllen wie der Altmeister, auch Biller nicht. Es braucht sie aber auch niemand auszufüllen, weil pompöse Rechthaberei im Stile Reich-Ranickis 2015 überhaupt nicht mehr in den Rahmen einer ernsthaften TV-Produktion passt.

Immer, immer, immer das letzte Wort haben

Trotzdem schaffte es der aus Polit-Talkshows bekannte Irrglaube, dass ständiges Ins-Wort-Fallen und Zwischenrufen zu einer TV-Debatte zwingend dazugehört, also auch ins "Literarische Quartett". Dabei kann mir wirklich niemand erzählen, dass penetrantes Unterbrechen und Übertönen eines Mitredners irgendetwas anderes ist als extrem unhöflich und zudem tödlich für jede ernsthafte Debatte. Anstatt wirklich über den Inhalt der Bücher zu diskutieren, indem man andere Meinungen wenigstens anhört und diese fundiert widerlegt, wird nur die emotionale Schiene gefahren, die sich fast immer als Einbahngleis in Richtung Profilierungssucht entpuppt.

Mir hat sich jedenfalls auch gestern nicht erschlossen, warum Literaturkritiker in einer TV-Runde sitzen mit dem festen Ziel, einen Lautstärkewettbewerb zu gewinnen und immer, immer, immer das letzte Wort zu haben. Bei Markus Söder, Michel Friedman oder anderen unerträglichen Gestalten aus dem Polit-Talkshowzirkus ist man das ja gewohnt, und bei ihnen mag das als Teil der Maskerade gelten, mit der sie auf Menschenfang gehen. Aber bei einer Literatursendung, deren Zweck ja eigentlich sein sollte, die breite Masse wieder mehr für die schönen Künste zu begeistern? Da sollte dann doch die Literatur wichtiger sein als das Ego. Den Inhalt des besprochenen Buches muss man selbstverständlich nicht gut finden. Zum Jobprofil eines Kritikers gehört es ja, Dinge kritisch zu betrachten. Aber auch dann kann man andere mal ausreden lassen und ihnen hinterher sagen, was man anders sieht. Das hat nichts mit persönlicher Niederlage zu tun. Man nennt das Anstand. In der derzeitigen Form ist das "Literarische Quartett" leider kaum eine ernstzunehmende Literatursendung.

Bildquelle: Oliver Tacke - Creative Commons CC BY SA 2.0