Bevor ich vor knapp zehneinhalb Jahren nach München zog, hatte ich nur wenig Bezug zu der Großstadt, in deren Umkreis ich aufgewachsen war, und eine entsprechend beschränkte Ortskenntnis. Hätte man mich damals gefragt, wie man zu Fuß vom Marienplatz zum Odeonsplatz kommt, hätte ich höchstens raten können. Vermutlich hätte ich den Fragenden in Richtung Sendlinger Tor davongeschickt. Fixpunkte gab es aber damals schon in meinem engen München-Bild, die natürlich allesamt in der Fußgängerzone lagen, außerhalb derer ich mich so gut wie nie aufhielt. Der Plattenladen "World of Music" (WOM) im Kaufhof-Untergeschoss, wo ich dutzende CDs von meinem schmalen Taschengeld kaufte, existiert schon lange nicht mehr. Einen anderen Fixpunkt hingegen gibt es noch – mit Betonung auf "noch": den Hugendubel am Marienplatz.

Bis heute treffe ich mich regelmäßig mit Freunden und Bekannten in der Innenstadt "vorm Hugendubel", denn jeder weiß auch ohne Erklärung, was damit gemeint ist. In den vielen Jahren, die ich mittlerweile schon in München lebe, habe ich mich unzählige Male durch die sechs Stockwerke der riesigen Buchhandlung treiben und inspirieren lassen. Die Anzahl der Bücher, die ich bei Hugendubel gekauft habe, kann ich nur schätzen – sie dürfte aber in jeden Fall im dreistelligen Bereich liegen. Ganz zu schweigen von all den Werken, die ich im Café im sechsten Stock durchgeblättert oder angelesen habe - mit Prachtblick auf das gegenüber liegende Rathaus. Auch wenn der Hugendubel am Marienplatz nie den Charme einer kleinen Stadtviertel-Buchhandlung hatte, wie etwa mein Lieblingsladen Lehmkuhl in Schwabing, das "Isarflimmern" an der Fraunhoferstraße oder die Krimi-Buchhandlung "Glatteis", ist der Laden für mich immer ein ganz besonderer Ort geblieben und zudem mit vielen schönen Erinnerungen verbunden.

Künftig Handys statt Bücher im Erdgeschoss

Deshalb genieße ich ihn, solange es noch gibt. Voraussichtlich schon Anfang Februar, also in wenigen Wochen, wird die 1979 eröffnete Filiale endgültig schließen. Das Haus in absoluter Premiumlage wird anschließend umgebaut und saniert, und im Sommer 2017 zieht als Hauptmieter die Telekom ein. Richtig, die Telekom. Anders gesagt werden künftig Handys statt Bücher im Erdgeschoss verkauft. Als dies vor etwa zwei Jahren bekannt wurde, war das Geschrei verständlicherweise groß, denn ich bin nicht der einzige, der es als wichtig erachtet, dass im Herzen der Stadt auch noch etwas anderes verkauft wird als Klamotten, Souvenirs und Mobiltelefone. Mittlerweile gibt es zwar die gute Nachricht, dass Hugendubel sich mit der Telekom einigen konnte und nach der Sanierung – als Untermieter - eine stark verkleinerte Verkaufsfläche behalten darf. Aber es wird nicht mehr dasselbe sein.

Man wird den Laden nach der Wiedereröffnung nicht mehr vom Marienplatz aus erreichen, sondern über einen Seiteneingang in die ersten beiden Stockwerke gelotst. Kein Café mit Traumblick mehr im sechsten Stock – dort befindet sich in Zukunft ein Luxushotel. Keine Reisen mehr mit der Rolltreppe durch die Welt der Bücher, von Romanen und Sachbüchern im ersten Stock über Reisebücher in Stockwerk zwei bis hin zu Biographien oder fremdsprachiger Literatur in den oberen Etagen. Keine weitläufigen Leseinseln auf den Zwischengeschossen mehr. Auch wenn Hugendubel den Marienplatz offiziell nicht verlässt, so liegt ein Gefühl von Abschied in der Luft. Man braucht natürlich nicht in Tränen auszubrechen. Schließlich gibt es in unmittelbarer Nähe des Marienplatzes weitere Buchgeschäfte – etwa Lentner direkt im Rathaus, oder am Stachus eine weitere große Hugendubel-Filiale. Aber ein wenig wehmütig werde ich schon. Wegen der vielen schönen Erinnerungen. Und weil es wieder einen Fixpunkt weniger in der Innenstadt gibt.